Menü
Advanced Digital Infrastructure Advanced Digital Infrastructure

Advanced Digital Infrastructure (ADI)

Gemeinsam mit europäischen Partnern entwickelt die Digitale Schiene Deutschland mit "Advanced Digital Infrastructure" ein neues, zugorientiertes Sicherungssystem. Züge können dann in individuellen, von ihrer aktuellen Geschwindigkeit und Länge abhängigen Abständen fahren (sog. „Moving Blocks“).

 

Informationen zum Moving Block Demonstrator finden Sie im unten aufgeführten Reiter. 

Start
2022
Ende
2030er

Unsere Partner

Spurführung und lange Bremswege sind maßgebende Eigenschaften der Eisenbahn. Dies erforderte von Beginn des Eisenbahnzeitalters an besondere Maßnahmen für einen sicheren Zugverkehr, um das Auffahren von Zügen zu verhindern. Heutzutage wird dafür die Strecke in feste Abschnitte unterteilt. Ein Zug muss einen Abschnitt komplett verlassen haben, bevor der nächste in diesen einfahren kann. Die Belegung dieser Abschnitte wird mit Hilfe von ortsfester Technik im Gleis, sog. Gleisfreimeldeanlagen, ermittelt. Die statischen Abschnitte begrenzen die Kapazität im Schienennetz, da ihre Länge nicht dynamisch an die Länge des jeweiligen Zuges angepasst werden kann. So belegen auch kürzere Züge immer den gesamten Abschnitt. Zudem muss jeder Abschnitt im Vorfeld fest geplant und eingerichtet werden und kann nur mit großem Aufwand geändert werden. Dank neuer Technologien ist es heute möglich, Informationen schneller zu verarbeiten als früher. Dies macht einen Paradigmenwechsel von „blockzentrischer“ zu „zugorientierter“ Sicherungslogik möglich, was eine dichtere Zugfolge und eine Erhöhung der Streckenkapazität ermöglicht. Gemeinsam mit europäischen Partnern entwickelt die Digitale Schiene Deutschland mit „Advanced Digital Infrastructure“ ein solches neues, zugorientiertes Sicherungssystem.

 

Um beschlossene Klimaziele zu erreichen, muss noch mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene. Zukünftig werden deutlich mehr Züge auf dem bestehenden Streckennetz unterwegs sein. Heute ist die maximale Anzahl an Zügen im Streckennetz durch die herkömmliche Technik begrenzt, denn Züge müssen aufgrund ihres langen Bremsweges einen Sicherheitsabstand zueinander einhalten. Dafür wird eine Strecke in ortsfeste, physikalische Blockabschnitte eingeteilt. Ein Block ist für den nachfahrenden Zug gesperrt, solange der vorausfahrende Zug diesen nicht verlassen hat. Die Belegung dieser Abschnitte wird mit Hilfe von ortsfesten Gleisfreimeldeanlagen an der Strecke ermittelt, wie z. B. durch Achszähler, die feststellen, dass der Zug den Abschnitt vollständig verlassen hat. Daher muss jeder Abschnitt im Vorfeld in einer festgelegt werden. Eine Änderung der Abschnitte nach Inbetriebnahme ist dann nur noch mit großem Aufwand möglich.

 

Hier setzt das Konzept der Advanced Protection Infrastructure (ADI) an: Jeder Zug ist kontinuierlich mit seiner Ausdehnung auf dem Gleisnetz verortbar. Kontinuierliche Datenübertragung und größere Rechengeschwindigkeiten bieten heute die Möglichkeit dynamische Blockeinteilungen für jeden Zug im Gleichnetz festzulegen. Dabei muss die Zugvollständigkeit vom Fahrzeug selbstständig überwacht werden. Die Übertragung des sicheren Zugschlusses vom Fahrzeug an eine ADI ermöglicht eine dichtere Zugfolge und somit die Erhöhung der Streckenkapazität. Züge können dann in individuellen, von ihrer aktuellen Geschwindigkeit und Länge abhängigen Abständen fahren (sog. „Moving Blocks“). Gleichzeitig kann die Technik im Gleis auf ein Minimum reduziert werden. Das bedeutet weniger Störungen und Wartungsaufwände, was Zuverlässigkeit erhöht und Kosten senkt.

Moving Block erhöht die Kapazität im Schienennetz, da mehr Züge auf derselben Strecke eingesetzt werden können. Feldelemente wie z.B. Achszähler fallen weg. Moving Block erhöht die Kapazität im Schienennetz, da mehr Züge auf derselben Strecke eingesetzt werden können. Feldelemente wie z.B. Achszähler fallen weg.
Moving Block erhöht die Kapazität im Schienennetz, da mehr Züge auf derselben Strecke eingesetzt werden können. Feldelemente wie z.B. Achszähler fallen weg.

Umsetzung von ADI

Zusammenlegung von Stellwerkstechnik und Zugbeeinflussung

 

Die heute typische Streckenausrüstung beinhaltet ein Stellwerk für die Fahrwegsicherung und ein Zugbeeinflussungssystem zur Führung der Züge mittels Geschwindigkeitsvorgaben (im Zielbild der Digitalen Schiene Deutschland wir dafür zukünftig ausschließlich das europäische Zugbeeinflussungssystem ETCS zum Einsatz kommen). Für die Umsetzung einer ADI werden die Funktionen von Stellwerkstechnik und Zugbeeinflussung (hier ETCS-Streckenzentrale) infrastrukturseitig in einem System zusammengeführt. Die Integration beider Systeme überwindet die historisch gewachsenen, unterschiedlichen Arbeitsweisen von Stellwerk und ETCS, die zu einer hohen Komplexität in der Entwicklung und Projektierung führen.

 

Einführung einer generischen Sicherungslogik

 

Eine wichtige Eigenschaft von ADI ist eine generische Sicherungslogik. Unter generisch wird hier ein Abbild aller realen Fahrwegelemente im Gleisnetz in einem einheitlichen, digitalen Format verstanden. Eine Datenbank, dass „Digitale Register“ enthält das digitale Abbild des Gleisnetzes mit allen Fahrwegelementen (z. B. Weichen, Bahnübergänge) und deren Eigenschaften, wie etwa zulässige Geschwindigkeit oder maximale Achslasten. ADI und auch andere Systeme wie die Disposition des Zugverkehrs greifen zur Durchführung des Bahnbetriebs auf diese generischen Daten zurück. Im Digitalen Register werden alle notwendigen Topologie-Daten gespeichert und verschiedenen Systemen in einem standardisierten Format zugänglich gemacht. Durch die Nutzung eines einheitlichen Datenmodells bzw. der gleichen Datengrundlage für alle relevanten Systeme löst man sich von den heute für jedes Stellwerk spezifisch einprogrammierte Topologie. Prüfungen und Sicherungsfunktionen in der ADI können so unabhängig von dem spezifischen Element in der physikalischen Realität durchgeführt und definiert werden. Änderungen erfolgen zentral an einer Stelle. Zudem können Änderungen des Gleisnetzes isoliert geprüft und ohne Rückwirkung auf die Zulassung der Sicherungslogik durchgeführt werden. 

 

Einführung einer geometrischen Sicherungslogik

 

Die zweite wichtige Eigenschaft von ADI ist eine geometrische Sicherungslogik. Die heutigen Stellwerke können zwischen zwei Punkten im Netz nur Verbindungen mit vorher fest definierten, statischen Fahrstraßen sichern (s. o. Blockprinzip). Unter geometrischer Sicherungslogik wird verstanden, dass Züge alle möglichen Verbindungen im Gleisnetz von A nach B gesichert befahren können und dass diese Verbindungen spontan und individuell eingerichtet werden können. Dadurch löst sich die ADI von statischen Fahrstraßen. ADI durchläuft dann virtuell den angefragten Fahrweg im Gleisnetz und ermittelt mit geometrischen Überschneidungen, ob der zu sichernde Fahrweg frei von potenziellen Gefährdungen ist. So wird u. a. geprüft, dass der angefragte Fahrweg physikalisch frei von anderen Zügen oder Sperrungen ist und die korrekte Lage aller ermittelten Fahrwegelemente gegeben ist. Dazu müssen alle Züge in Echtzeit auf dem Gleisnetz verortet werden und entsprechend hochfrequent Daten mit ADI austauschen. Wichtige Voraussetzung dafür ist kontinuierliche, stabile und leistungsfähige Konnektivität. Sowohl durch GSM-R als auch durch das zukünftige „Future Railway Mobile Communication System“ (FRMCS), als Nachfolgesystem vom aktuellen Zugfunksystem GSM-_R wird dieser Datenaustausch möglich.

 

Migration und Rollout von ADI

 

Aufgrund der Größe des deutschen Schienennetzes kann eine neue Technologie wie ADI nur schrittweise eingeführt werden. Von Anfang an wurde bei ADI die Migration ausgehend von unterschiedlich vorhandenen Ausrüstungsständen auf Strecke und Fahrzeugen berücksichtigt. Die bei der aktuell laufenden Ausrüstung von digitalen Stellwerken installierten Außenanlagen können mit der ADI weiter genutzt werden.

 

Im Zielzustand müssen alle Züge ihre sichere Zugschlussposition an die ADI senden. Heute können erst wenige Züge ihre Zugvollständigkeit fahrzeugseitig ermitteln, sodass für einen längeren Zeitraum, auch Züge ohne Zugvollständigkeitsmeldung in das System integriert werden müssen. Daher ist ADI in der Lage, sowohl Meldungen von Zügen als auch Informationen von herkömmlichen, streckenseitigen Sensoren wie Achszählern, zu einer eindeutigen sicheren Zugposition zusammenzuführen. Die flexible Nutzung aller verfügbaren Informationen führt zu einer bestmöglichen Leistungsfähigkeit. Jeder weitere Zug mit Vollständigkeitsmeldung erhöht dabei die Streckenleistungsfähigkeit ohne Änderung der Projektierung.

 

Europäische Dimension

 

Aktuell führen europaweit unterschiedliche Standards und Ausführungen der Stellwerkstechnik zu einer sehr großen Technikvielfalt. Die Digitale Schiene Deutschland treibt daher die Entwicklung von ADI im Rahmen der europäischen Standardisierung gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Bahnbetreibern voran. Dabei wird ein gemeinsames Vorgehen auf Basis der RCA (Reference CCS Architecture) mit europäischen Infrastrukturbetreibern konzipiert und durch Schnittstellen standardisiert, Technik harmonisiert und betriebliche Regeln vereinheitlicht.

  • Erhöhte Streckenkapazität durch dichtere Zugfolge und Fahren in der „Moving Block“-Logik
  • Schnellere Projektierung und Anpassung durch Wegfall der Blocklogik und Einführung einer generischen Sicherungslogik
  • Optimale Anpassung an die aktuelle Betriebssituation und somit mehr Flexibilität und höher betriebliche Leistungsfähigkeit durch geometrische Sicherungslogik

  • Weniger Störungen und Wartungsaufwände durch weniger Technik im Gleis. Dies erhöht die Zuverlässigkeit und senkt die Kosten.

  • Erhöht die europäische Interoperabilität des Streckennetzes

In Scope:

"Moving Block Demonstrator" ist ein Demonstratorprojekt im Rahmen des ERJU Innovation Pillars (R2DATO) für eine zugorientierte Sicherungslogik (basierend auf den ADI Konzepten), die unter anderem das Fahren im „Moving Block“ ermöglicht. Die Sicherungslogik kombiniert dabei die Funktionalitäten von RBC und Stellwerk in einem System.

 

Vorgehen:

Inkrementelles Vorgehen bei der der Zyklus „Spezifikation-Entwicklung-Testing“ mehrfach durchlaufen wird. Ziel ist ein Realisierung von bis zu fünf Releases, jeweils mit erweitertem Funktionsumfang. Jedes Release schließt mit einer Demonstration in der Simulation und/oder im Testfeld ab.

 

Partner:

Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit der SBB, ÖBB und GTS (ehemals Thales) umgesetzt.

 

Laufzeit:

11/2022 – 05/2026

 

Ziele:

  • Nachweis der Machbarkeit der zugrunde liegenden Architektur, sowie des Ansatzes einer generischen Sicherungslogik
  • Aufzeigen der Vorteile einer zugorientierten Sicherungslogik (im Vergleich mit einer blockzentrischen Lösung)
  • Passfähigkeit zu ETCS ausgerüsteten Zügen demonstrieren
  • Flexibilität des Systems in Bezug auf die Verwendung von zug- und streckenseitigen Inputs zur Lokalisierung aufzeigen
  • Demonstration von Fahren im „Moving Block“, sowohl in Form von Simulation als auch von Feldtests im Digitalen Testfeld Bahn im Erzgebirge

 

Out of scope:

  • CENELEC/SIL-4 konforme Entwicklung
  • Produktzulassung
  • Vollständiger Funktionsumfang für alle operativen Anwendungsfälle  

Entwicklung ADI-Pilot (Fokus Teststrecke S2 Remstalbahn)

 

Auf der Teststrecke S2, die sogenannte Remstalbahn, wird ein ADI-Pilot entwickelt. Ziel des Projekts ist die Integration neuer Technologien in das System. Dabei liegt der Fokus auf der technischen Perspektive der Sicherungslogik und die Entwicklung einer Roadmap für die Folgegenerationen. 

 

Dabei soll demonstriert werden

  • dass ADI technisch einsetzbar ist (TRL8), die generische Sicherungslogik zulassungsfähig ist und Moving Blocks zu einer Kapazitätssteigerung führen.
  • dass mindestens das gleiche Leistungsziel wie unter ETCS L2 oS erreicht wird. Bei einer Kapazitätssteigerung von 20% kann eine Zugfahrt alle 5 Minuten (Bahnsteiggleis) bzw. alle 2 Minuten (übrige Gleise) erfolgen. Die Einhaltung der Betriebsqualität auch bei Abweichungen vom Regelbetrieb ist dabei essenziell.
  • dass die betriebliche Flexibilität ohne gesonderte Projektierung neuer Fahrstrassen erhöht werden und die teilautomatisierte Auflösung bestimmter Störfälle (z. B. temporäre Geschwindigkeitsbeschränkungen) erfolgen kann.

Projektdaten:

Start: 2024

Ende: 2030 

  • Artikel in "EI – DER EISENBAHNINGENIEUR" | Blöcke waren gestern – Chancen einer zugzentrischen LST | 11/22

    Die europäischen Bahnen arbeiten an einer ganzheitlichen Lösung für eine zukünftige Leit- und Sicherungstechnik (LST), die sich von der Sicherung über ortsfeste Blöcke löst und sich an der individuellen Zugfahrt ausrichtet. Mit der Entwicklung einer solchen zugzentrischen Sicherungslogik, dem "Advanced Protection System (APS)", reagieren sie auf Herausforderungen wie Steigerung der Kapazität und Flexibilisierung des Betriebsablaufs. Im Rahmen der Sektorinitiative Digitale Schiene Deutschland ist die Deutsche Bahn AG von Anfang an stark involviert.

     

    Quelle: Der Eisenbahningenieur